Sport in Glienicke ab 1900
– von Rosemarie Haese –
Auf dem Wege zum 65. Jubiläum des Sportvereins Glienicke/Nordbahn e. V. im Jahre 2014 wollen wir einen Abstecher in die Geschichte unseres Ortes machen. Unterlagen aus der Orts-Chronik führen uns zurück in das Jahr 1900. Glienicke hatte in diesem Jahr nur 439 Einwohner. Am 10. Mai 1900 wurde der Arbeiterturnverein Freie Turnerschaft „Frisch auf“ gegründet. Die Übungsabende fanden im Lokal „Altermann“, späterer Inhaber „Bath“ in der Wilhelmstraße 5-8 (heutige Lessingstraße mit Arztpraxis und Werkmarkt) statt.
1906 beschließt der Verein, eine Vereinsfahne durch Spenden zu erwerben (Spendenliste siehe Orts-Chronik). Die Weihe der Fahne fand am 20. Mai 1906 mit Schauturnen und Tanz statt.
Es gab damals in Glienicke keine Turnhalle und auch noch keinen Sportplatz. Daher bat der Arbeiterturnverein am 8. März 1923 den Schulvorstand, den Schulplatz für die Jugend- und Turnstunden im Freien zur Verfügung zu stellen. Am 30. Juni 1923 genehmigte der Gemeindevorsteher Vehse als Vorsitzender des Schulvorstandes den Antrag. 1928 zog Paul Wollenberg nach Glienicke und übernahm die Kinderturngruppe im Arbeiterturnverein.
1926 gab es außerhalb der Tagesordnung erste Unstimmigkeiten zwischen SPD- und KPD-Mitgliedern im Verein darüber, dass die Mehrheit während der Versammlung zugestimmt hatte, an der Mai-Demonstration der SPD teilzunehmen.
Die Meinungsverschiedenheiten führten zur Spaltung des Arbeiterturnvereins, als auf Beschluss einer kleinen Gruppe von 13 Mitgliedern (die zur SPD gehörten) die Freie Turnerschaft „Frisch auf“ am 19. August 1930 in das Vereinsregister des Amtsgerichtes Oranienburg eingetragen wurde. Der Verein hatte zu diesem Zeitpunkt über 70 Mitglieder. Gegen diese Entscheidung und den damit einhergehenden Ausschluss vieler Mitglieder wurde Klage eingereicht. Leider sind die in der Orts-Chronik noch vorhandenen Klageschriften unvollständig. Bis zum 28. Dezember 1931 lag jedenfalls noch kein Urteil vor.
Die Vereinsfahne blieb vorerst beim KPD-Teil des Vereins. Sie wurde auf dem Dachboden des Lokals „Schwarz“ versteckt, wurde aber von den Nazis gefunden. Die Sportgeräte wurden bei Einreichung der Klage ebenfalls beschlagnahmt, dann aber ohne „gerichtliche Verfügung“ durch die Polizei an den nun eingetragenen Verein „Frisch auf“ herausgegeben. Bei dem größeren verbliebenen Teil des Vereins (KPD-Anhänger) wurde bei einer Änderung der Statuten der vorläufige Vereinsname „Arbeiter Turn- und Sportvereinigung Glienicke (Nordbahn)“ bestätigt.
1930/1931 zog Paul Wollenberg auf Grund der Streitigkeiten mit seiner Kindergruppe zum Lokal „Glagow“ (später „Casino“) in die Hattwichstraße 38 / Ecke Breitscheidstraße und nannte sich „Fichte Glienicke“.
„Am 8. März 1933 wurden erneut die Sportgeräte des Arbeiterturn- und Sportbundes beschlagnahmt. [Diesmal im Zuge des Verbots der Arbeitersportvereine durch die Nazis, Anm. d. Red]. Einige Sportgeräte konnten in leer stehenden Lauben versteckt oder verbuddelt werden.“ (vgl. Orts-Chronik)
In einem Gespräch mit Herbert Weiland, der gegenüber dem Sportplatz aufwuchs, habe ich erfahren, dass sein Vater Max Weiland (SPD) im Holzschuppen auf dem Grundstück Prinz-Friedrich-Karl-Straße 65 (jetzt Märkische Allee) mehrere Turnpferde, Barren, ein Spann-Reck, Sprungbretter, Matten und Böcke versteckt hatte. Diese Sachen überstanden fünf bis sechs Hausdurchsuchungen in der Zeit bis 1945. Laut Aussage von Paul Wollenberg und Herbert Weiland wurde noch viele Jahre nach 1945 an diesen alten Geräten geturnt.
1924 wurde neben dem Arbeiter-Turn-Verein der „Turn- und Sportverein Glienicke“ gegründet. Er schloss sich der Deutschen Turnerschaft an. In einer Niederschrift der Freien Turnerschaft „Frisch auf“ heißt es: „… durch die Gründung des unpolitischen bürgerlichen Turnvereins ist der Bestand des Arbeiterturnvereins nicht in Frage gestellt worden.“
Wally und Fritz Schulz (geb. 1915 und 1911), ehemalige Mitglieder des „Turn- und Sportvereins Glienicke“ konnten mir 1999 darüber Folgendes berichten:
Die Versammlungen und Übungsabende fanden im Gasthof „Sand-Krug“ statt (legendäres Lokal in der Oranienburger Straße / Ecke Hauptstraße). Für Freiübungen gab es gegenüber in der Oranienburger Straße in Richtung Entenschnabel hinter dem Biergarten vom „Sand-Krug“ einen freien Platz. Die 100-Meter-Strecke war der Rosenanger in Frohnau.
Ab ca. 1928 wurde im Lokal „Schwarz“ in der Hauptstraße 75 (später HO-Gaststätte „Treffpunkt geturnt (seit 2012 das Seniorenpflegeheim „Angerhof“). Sportarten des Vereins waren unter anderem Faustball, Handball, Leichtathletik, Turnen, Boxen und Schlagball.
Nach der Machtübernahme Hitlers ab 1933 war es mit dem „unpolitischen bürgerlichen“ Turn- und Sportverein auch in Glienicke vorbei. Zu den genannten Sportarten kam Wehrsport hinzu (Gepäckmärsche, Schießen (auf der Kegelbahn), Handgranatenweitwurf usw.).
Am 2. Dezember 1936 wurde die Kinderriege des Turn- und Sportvereins aufgelöst; ihre Mitglieder wurden in die Hitlerjugend aufgenommen.
Erwin Kiewitt schloss sich auf Grund der Unstimmigkeiten im Arbeitersportverein dem Turn-und Sport-Verein an und wurde Vorturner für die Jugend. Sein Sohn Hans Kiewitt und Hildegard Meinicke konnten sich an Turnabende im Lokal „Schwarz“ erinnern.
Der Sportplatz in der Märkischen Allee wurde in der Orts-Chronik erstmals 1924 als „Festplatz Tribolet“ erwähnt und während der Angriffe auf Berlin für die Flugzeugabwehr genutzt. Nach Beendigung des Krieges im Jahre 1945 nivellierten Max Weiland und Sohn Herbert Weiland den Sportplatz und beseitigten die Unebenheiten fast alleine.
Über den Kegelsport in Glienicke ist in der Orts-Chronik nicht viel zu finden. „Beim Eröffnungskegeln im neuen Sportkeglerheim im Juni 1928 zeigt der neugegründete Keglerklub K.S.K. „Gut Holz“ Glienicke-West eine neuartige Kegelsportart.“ Ob es damals auch den Klub „Ruhige Kugel“ in Glienicke gab, ist nicht belegt. Aus den Erzählungen der älteren Glienicker ist herauszuhören, dass im Laufe des Krieges die sportlichen Aktivitäten einschliefen und ab etwa 1943 kein Sport mehr betrieben werden durfte.
Nach dem Ende des Krieges 1945 brachten als Erste Erwin Kiewitt und Herbert Weiland den Turnbetrieb wieder in Gang. 1946 gründeten darüber hinaus einige Kegler den Kegelclub „Ruhige Kugel“, der 1949 in der Sportgemeinschaft SG Glienicke aufging.